Spätestens seit Sigmund Freuds bahnbrechendem Werk über die Traumdeutung ist bekannt, das Trauminhalte seelische Probleme und Störungen widerspiegeln. Für den Bereich der Parkinson-Erkrankung ist das Auftreten von Alpträumen seit längerem mit den sog. REM-Schlafverhaltensstörungen (RBD) assoziiert. Während bei Gesunden während der Traum-Phase (auch als REM-Schlaf-Phase bezeichnet) die Muskeln schlaff sind, fehlt diese Deaktivierung der Muskulatur bei der RBD. Die Betroffenen agieren ihre (häufig gewalt-assoziierten) Trauminhalte im Schlaf daher durch Schreie aber auch durch Schlagen, Boxen oder Treten aus. RBD sind inzwischen als Frühsymptome der Parkinson-Erkrankung identifiziert worden, ihr Auftreten kann den typischen motorischen Symptomen um Jahre vorangehen.
Neben dieser Beobachtung wird schon länger über einen Zusammenhang zwischen gewalttätigen Trauminhalten (bzw. Alpträumen) und dem späteren Auftreten von Demenz-Symptomen sowie einer Verschlechterung der motorischen Symptome bei der Parkinson-Erkrankung diskutiert. Hierbei ist es bemerkenswert, dass weniger als 3 % der gesunderen älteren Erwachsenen von wöchentlichen Albträumen berichten, während dieser Anteil unter Parkinson-Betroffenen bei etwa 20 % liegt.
Die vorliegende Studie von Dr. Otaiko und Kollegen aus Birmingham hat sich diesem Zusammenhang erstmalig in systematischer Form genähert. Es wurde untersucht, ob Träume mit aggressiven/gewalttätigen Inhalten bei neu diagnostizierten Parkinson-Betroffenen im Vergleich zu Parkinson-Betroffenen ohne Alpträume über einen Zeitraum von fünf Jahren zu einer größeren Verschlechterung der geistigen als auch der motorischen Fähigkeiten führen.
Von insgesamt 224 Studienteilnehmern berichteten 58 (26 %) über häufige Träume mit aggressiven Inhalten bei Studienbeginn. In den Verlaufsbeobachtungen zeigte sich, dass es bei Betroffenen mit häufigen aggressiven Träumen zu Studienbeginn mit mehr als fünfmal höherer Wahrscheinlichkeit innerhalb von fünf Jahren zu einer deutlichen Verschlechterung der motorischen Symptome kam. Außerdem zeigte sich bei dieser Gruppe im gleichen Zeitraum mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit eine Verschlechterung der kognitiven Funktionen. Mögliche Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, Erkrankungsdauer und Erkrankungsschwere zu Studienbeginn wurden durch statistische Methoden aus dem Ergebnis herausgerechnet.
Diese Ergebnisse sollten dazu führen, dass Trauminhalten bei der Parkinson-Erkrankung gerade im Anfangsstadium mehr und differenzierte Aufmerksamkeit geschenkt wird. Eine weitere Aufarbeitung der Ursachen für dieses Phänomen ist jedoch erforderlich, um die Zusammenhänge zu den späteren Verschlechterungen besser verstehen zu können. Eine spezifische Behandlung von aggressiven Trauminhalte bzw. Alpträume bei der Parkinson-Erkrankung gibt es derzeit leider nicht.
Dieser Beitrag erschien erstmalig im Newsletter der Parkinson-Stiftung 01/2022.